Der König als Gast – Haus und Herrschaft in der profanen Wandmalerei
21 – TP Wolter-von dem Knesebeck
Das Teilprojekt wendet sich der Thematisierung von Herrschaft in der profanen Wandmalerei des Mittelalters zu. Es untersucht hierzu Festausmalungen, die auf einen reisenden König bezogen waren bzw. den Zeitgenossen als beziehbar plausibel gemacht werden konnten, sowie die (von einer konkreten Reise unabhängigen) Darstellungen des Herrschers als Gast. Der Fokus liegt daher nicht auf einer vermeintlichen „Hofpropaganda“, sondern auf den eigentlichen Besitzern und Nutzern der ausgemalten Räume, in denen man in der Regel die Auftraggeber der Malereien sehen darf.
Interdisziplinäre Transkulturalitätswerkstätten
Abstract
Das Teilprojekt wendet sich der Thematisierung von Macht und Herrschaft in Bildern, insbesondere der profanen Wandmalerei, sowie heraldischen Repräsentationen des europäischen Mittelalters und der Frühen Neuzeit zu. In der ersten Förderphase wurden profane Wandmalereien und mit ihnen verbundene heraldische Programme dieses Zeitraums analysiert, in denen ein König oder Kaiser als Gast wie erwartet fast durchweg aus Sicht der Hausbesitzer thematisiert wurde. In dieser Konstellation ließen die analysierten Konfigurationen von Macht und Herrschaft ausdifferenzierte herrschaftsbezogene Ordnungs- und Gesellschaftsvorstellungen der verschiedenen Gesellschaftsschichten entstammenden Hausherrn erkennen, ebenso wie mit ihnen verbundene Strategien der Selbstverortung und Rangerhöhung im eigenen Sozialgefüge. Ausgehend hiervon kommen in der zweiten Förderphase einerseits das Haus und seine Ehre selbst als Keimzelle von Gesellschaft und Ordnung in den Blick, das die konkreten Gebäude und Gebäudekomplexe der Elite(n) ebenso umfasst wie die an diese gebundene und selbst als Haus begreifbare Familie, andererseits die Stadt und ihre Bild- und Zeichensysteme, vor allem auch im heraldischen Bereich.
Nur ein gut geordnetes und geführtes Haus, insbesondere der Eliten, verfügt über ‚Hausehre‘. Diese zeigte sich vor allem in der Gastfreundschaft, aber auch an der ‚Hausfrau‘ und allgemein im Verhältnis der Geschlechter wie der Generationen. Nur ein in seinem Gemeinwesen herausgehobenes und gastfreundliches Haus mit einer intakten ‚Hausehre‘ ist selbst herrschaftsfähig. Ein solches Haus muss daher über konventionelles Wissen zu Macht und Herrschaft und damit verbunden zur Ordnung von Gesellschaft und Welt verfügen. Daher wurde dieses Wissen in jeweils zeit-, standes- und statusspezifischen Formen in der hausgebundenen Form der Wandmalerei am Haus selbst vorgezeigt, einem Medium, für das nach den Forschungen des Antragstellers die Bindung zum Haus als Träger und Thema grundlegend ist, aber auch in heraldischen Programmen, die sich etwa auf mobilen Objekten und in performativen Akten vom Haus lösen konnten. Hierin zeigt sich, wie ein breites Spektrum von Eliten damals mit Bildern und Heraldik seine Partizipation an Herrschaft darlegte und ihre Macht repräsentierte, um die Stellung im eigenen Sozialgefüge zu festigen und auszubauen. Bei ihrer Analyse werden Bilder und heraldische Programme daher transparent auf elitenbezogene Konfigurationen von Macht und Herrschaft.
In Übereinstimmung mit der Ausrichtung der zweiten Förderphase auf die Eliten sollen daher zum einen durch den Antragsteller Bilder vor allem der profanen Wandmalerei analysiert werden, die im und am Haus dessen mit seiner Ehre verbundene Qualitäten thematisieren und hierbei auf Vorstellungen von Macht und Herrschaft sowie allgemeiner auf die Ordnung von Gesellschaft und Welt bezogen sind, welche sie dabei nicht selten in den unidealen Verhältnissen der Verkehrten Welt zeigen. Zum anderen wird Steffen Kremer als Postdoktorand den Strategien der in den Städten vor allem Italiens ansässigen Eliten nachgehen, ihre Macht und ihren Anspruch auf (Teilhabe an) Herrschaft mit (para-)heraldisch (Pastoureau 1985) konnotierten Bildern, Objekten und performativen Akten zu visualisieren. Zugleich bleibt bei dieser neuen Fokussierung der Vergleich mit den Objekten der ersten Förderphase inhaltlich vielversprechend, auch wenn stärker als zuvor die Stadt in den Fokus rückt.
Insgesamt wird somit die Teilhabe der Eliten - einzelner Mitglieder ebenso wie (städtischer) Gruppen als wichtigem Teil der Konfigurationen von Macht und Herrschaft - an Modulierungen von Vorstellungen von Macht und Herrschaft greifbar. Diese Teilhabe äußert sich im Netzwerk zwischen Zentrum und Peripherie in einer Fülle verschiedener Formen und auch an Stellen innerhalb der Gesellschaft, an denen sie sonst durch andere Quellen kaum zu fassen ist. Sie vollzieht sich in singulären Quellengruppen eigener Qualität, Entwicklung (etwa im Bereich der Heraldik oder der Erzählräume) und Evidenz. Das Teilprojekt wird die relevanten Objekte erstmals zusammenführen, aufbereiten und publizieren. Es wird sie in den SFB einspeisen, um im Gegenzug die dort erarbeiteten (transkulturellen) Vorstellungen und Modelle, Strukturen und Begrifflichkeiten der Phänomene Macht und Herrschaft für die eigene Analyse einzusetzen.
Ergebnisse - was wurde erreicht?
(Berichtsteil: Am Anfang der Arbeit zum König als Gast in der profanen Wandmalerei half eine erste Zusammenstellung und Bewertung relevanter Objekte aus dem 13. und 14. Jahrhundert durch den Teilprojektleiter (Wolter-von dem Knesebeck 2009) sowie der von ihm herausgearbeitete doppelte Bezug der profanen Wandmalerei auf das Haus als ihrem Träger, aber gleichzeitig auch ihrem bevorzugten Thema (Wolter-von dem Knesebeck 2005; Ders. 2007; Ders. 2015; Ders. 2017). Ausgehend hiervon begannen die beiden Promovierenden mit der Recherche, wobei sich auch im erweiterten Material bald zeigte, dass die Interessen und Strategien der Gastgeber bei ihrer Selbstverortung im eigenen Sozialgefüge und nicht etwa „Hofpropaganda“ dominierten (vgl. auch Wolter-von dem Knesebeck 2008). Dementsprechend bezogen sich die Wandmalereien recht durchgängig auf das Haus als Institution und Personenverbund wie auf seine „Hausehre“ (zu dieser siehe unten unter Stand der Forschung). Geschah die Recherche anfangs nach Regionen, so wurde dieser erste Zugriff durch eine inhaltlich sinnvollere Einteilung modifiziert. Mit dem Kaiser als Gast in der Arbeit von Svenja Trübenbachund dem König als Gast in derjenigen Steffen Kremers traten die beiden obersten Herrschaftsträger prononciert in den Fokus.
Zwei einwöchige Reisen des gesamten TP 21 (samt dem Fotografen des Kunsthistorischen Instituts Bonn) zu den Objekten dienten der Autopsie und Diskussion vor Ort und der Fotodokumentation der bisweilen nicht oder nicht adäquat aufgenommenen Wandmalereien und Architekturen sowie ihrer Kontexte. Diese Exkursionen wurden von den Promovierenden eigenständig und nach ihren Bedürfnissen vorbereitet (2018 Kremer: Aosta bis Florenz; 2019 Trübenbach: Trient bis Nürnberg). Dies stellte unabhängig von den reichen Ergebnissen vor Ort und den für die Publikation unbedingt notwendigen Fotografien einen wichtigen Qualifikationsschritt dar. Auch bewährte sich bei der sprachlichen Vielfalt der Quellen die Verpflichtung von zwei Wissenschaftlichen Hilfskräften mit philologischem Hintergrund. Beide legten zudem eine auch für die nächste Förderphase wertvolle Materialsammlung zum Begriff ‚Hausehre‘ und verwandten Begriffen in den mitteleuropäischen und romanischen Sprachen an. Bei der bewusst ergebnisoffenen Herangehensweise und dem oft schlechten Publikationsgrad der Objekte war die Herausbildung des Corpus der zu bearbeitenden Objekte erst 2018 abgeschlossen. Auch gab es bei der Mitwirkung an der Bearbeitung eines sensationellen Neufundes, der abgenommenen Wandmalerei einer großformatigen Reiterschlacht der Zeit um 1200 aus Museumsbestand (jetzt Deutsches Burgenmuseum, Veste Heldburg) einen gewissen Irrläufer, erwies sich diese doch dank der heraldischen Kompetenz Steffen Kremers nicht als profane Wandmalerei, sondern als Ausstattung einer französischen Kirche (Brenker/Kremer/Merzenich 2019).
Bei Trübenbach lag ein Schwerpunkt auf den Habsburgern, insbesondere auf Kaiser Maximilian I. und seinen Nachfolgern. Aus der Perspektive des Projekts ergaben sich Neubewertungen der Strategien, den eigenen Status zu visualisieren. So konnten die mit kaiserlicher Präsenz verbundenen Rangerhöhungen bisweilen in politisches Tagesgeschehen eingebunden werden (Palazzo Geremia in Trient). Da es sich teilweise um Gebäudekomplexe mit Wandmalereien auf Fassaden und in Innenräumen handelt, trat eine spezifische Ansprache der Rezipienten besonders klar hervor. Gerade die Fassaden hin zur Stadt konnten dabei auch als Ansprache der Herrscher dienen (Palazzo Dal Monte in Trient). Zugleich wurden die recht wenigen Befunde in Frankreich sinnvoll vergleichend eingebunden. In einem Aufsatz zeigte Trübenbach, wie hier im 14. Jahrhundert die Wiedergabe des Herrschaftsübergangs von den Staufern an die Anjou in Italien der herrschaftsbezogenen Selbstverortung der Auftraggeber diente (Trübenbach 2018) – in Parallele zum Neufund der vor 1219 entstandenen Wandmalereien zum 3. Kreuzzug auf der Gamburg, in denen sich die Auftraggeber vor allem mit Barbarossa in Verbindung brachten (Wolter-von dem Knesebeck2016).
[[|An die Alpenregion und das französische Königtum konnte Kremer insofern sinnvoll anschließen, als er sich vom französischsprachigen Alpenraum aus bis nach Prato und Florenz in der profanen Wandmalerei Italiens verschiedenen Königen als Gast (Anjou, französische Könige, dänischer König) widmete. In seiner]]Untersuchung standen vorwiegend Eliten im Fokus, die über eine eigene Herrschaft verfügten und die königliche Präsenz in ihrem eigenen Haus gleichermaßen zur Steigerung ihrer ‚Hausehre‘ wie auch der Stabilisierung ihrer Herrschaft einsetzten. Dabei erwies sich die Heraldik als zentrales Mittel der Visualisierung und Kommunikation von (Vorstellungen von) Macht und Herrschaft: So installierten die Grafen von Challant einen nur durch die Heraldik und Emblematik der Valois geprägten Repräsentationsraum im obersten Geschoss ihres Schlosses Issogne, der es ihnen ermöglichte, jeden französischen König gebührend zu empfangen, und sich zugleich von der Peripherie des Valdostaner Alpenraums aus eng an den zentralen Hof in Paris zu binden. Für die Anordnung der Wappen in den Malereien des Schlosshofes, die von Heraldikern bereits gut erschlossen waren, konnten darüber hinaus unter dem Blickwinkel des SFB ausdifferenzierte Vorstellungen weltlicher und häuslicher Ordnungsmodelle nachgewiesen werden, so dass sich hier gleichermaßen idealtypische, wie auch kritische Diskurse um Macht und Herrschaft auf Ebene heraldischer Anordnungen beobachten ließen. Neben dieser Arbeit an der Dissertation konnte Kremer (2019) das heraldisch-genealogische Bildprogramm der Sala baronale des Castello della Manta dahingehend neuinterpretieren, dass die Phantasieschilde auf der dortigen Kaminwand dazu dienten, die Stellung des Auftraggebers – dem Erstgeborenen und Bastard des Markgrafen von Saluzzo – als temporärem Verwalter und explizit nicht als nachfolgendem Markgrafen zu kommunizieren. Hierdurch zeigten sich an unerwarteter Stelle Diskurse um Macht und Herrschaft der Eliten anhand subtiler Modifikationen heraldischer Bildelemente.
Die beiden Promotionen ergeben mit der bisher noch nicht für Mittelalter und frühe Neuzeit angewandten Fragestellung für Einzelobjekte wie Überschau viele neue und weiterführende Aspekte. Reale wie fiktive herrschaftliche Präsenz war demnach teilweise über Generationen hinweg ein Mittel, mit dem unterschiedlichste Akteure ihren Status in der profanen Wandmalerei über das auf höchster Ebene gastfreundliche, d. h. mit herausragender ‚Hausehre‘ versehene eigene Haus an diesem selbst und im Rahmen der doppelten Bindung der Wandmalereien an das Haus in sehr unterschiedlichen Sozialgefügen mit verschiedenen Modi der Betrachteransprache erfolgreich propagieren konnten. Nachdem dieses Phänomen vom Teilprojektleiter (Wolter-von dem Knesebeck 2009) erstmals angesprochen wurde, wird es erst in den Arbeiten der Promovierenden als neue Kategorie herrschaftsbezogener Bilder etabliert. Insgesamt konnte hierbei die Teilhabe an sowie Modellierung von positiv besetzten Vorstellungen von Macht und Herrschaft im Netzwerk zwischen Zentrum und Peripherie in einer singulären Quellengruppe eigener Qualität, Entwicklung und Anschaulichkeit in einer Fülle eigener Formen an einer Vielzahl verschiedener Orte innerhalb der Gesellschaft erschlossen werden.
Mit den Spannungsfeldern C und D und in verschiedenen ITWs war durch bereits eingangs identifizierte Hauptobjekte von Anfang an eine enge Vernetzung gegeben. Ein besonders intensiver Kontakt ergab sich zum TP 22 Stieldorf. Dies gilt auch für zwei Tagungen, die von Kremer und Trübenbach mit organisiert wurden. Die Tagung ‚Wandmalerei als Objekt – Methodische Gedankenspiele‘, Bonn 1. bis 2. Dezember 2017 (gemeinsam mit Dr. Esther-Luisa Schuster vom Teilprojekt des Antragstellers beim BMBF-Forscherverbund ‚Objekte und Eliten in Hildesheim 1130–1250. Innovation und Tradition‘) ging u. a. der Frage nach Strategien der medialen Selbstinszenierung von Wandmalerei am Haus nach. Die im Rahmen der ITW ‚Der Herrscher visuell‘ gemeinsam mit dem TP 22 Stieldorf durchgeführte Tagung ‚Haus und Herrschaft (visuell) – Interdisziplinäre und transkulturelle Zugänge‘ in Bonn, 25. bis 26. Jan. 2019, diente gerade auch der Neuausrichtung auf die zweite Förderphase.
Stand der Forschung und eigene Vorarbeiten: Für die profanen Wandmalereien des Mittelalters, die wie im Erstantrag dargelegt oft nur monographisch nach materialsichernden Kriterien behandelt wurden (Ausnahme und daher weiterhin anschlussfähig sind Lutz/Thali/Wetzel 2002 und 2005), hat erst der Antragsteller mit dem doppelten Bezug der profanen Wandmalerei auf das Haus (Wolter-von dem Knesebeck 2005; Ders. 2007; Ders. 2015; Ders. 2017) Kategorien für diese Kunstgattung herausgearbeitet, die vor allem für seinen Part am TP 21 grundlegend sind. Der doppelte Bezug der Wandmalereien auf das Haus betrifft zum einen das Haus als Träger der Wandmalereien, d. h. den Bezug bestimmter Themen auf bestimmte Bildorte im Haus, zum anderen aber – und das ist hier wesentlicher – das Haus als bevorzugtes Thema profaner Wandmalerei. In dieser werden immer wieder hausbezogene Werte thematisiert. Dies gilt insbesondere für die Gastfreundschaft (Wolter-von dem Knesebeck 2007; Ders. 2008; Ders. 2009; Ders. 2017), die an der Schnittstelle von Haus und Welt, innen und außen, angesiedelt ist und um den Gast kreist. Gastfreundschaft ist dabei ein wesentlicher Teil des Bedeutungsspektrums des mittelhochdeutschen Begriffes hûsêre, der näherungsweise mit ‚Hausehre‘ übertragen werden kann. Nach der maßgeblichen Untersuchung (Dallapiazza 1981) kann diese „Gastfreundschaft meinen, rechtliche Belange definieren und schließlich Haushabe meinen“. Das gut geführte und wohl versorgte Haus verfügt über eine intakte innere Ordnung, die gerade auch das Verhältnis der Geschlechter wie Generationen zueinander im Rahmen seiner hierarchischen Struktur betrifft. Diese Werte weisen es und seine Bewohner als ein von Hierarchie und Herrschaftsverhältnissen geprägtes Gemeinwesens aus. Nur ein solches wohl geordnetes Haus besitzt ‚Hausehre‘ und muss diese gegebenenfalls aber auch im Umfeld des Hauses, in der Stadt etwa in dessen semiöffentlichen Vorhöfen (Eibach 2004, 201–203) adäquat vertreten. Rechte Ordnung ist somit kausal mit der ‚Hausehre‘ verbunden. Dank ihr wird das einzelne Haus, von dem des Königs bis zum untersten Vertreter einer lokalen Elite, darunter auch Kleriker, herrschaftsfähig und damit Teil eines zwischen Zentrum und Peripherie aufgespannten Netzwerks der Herrschaftsausübung (vgl. Wolter-von dem Knesebeck 2009), das von Mobilität und Dynamiken in räumlicher wie sozialer Hinsicht gekennzeichnet sein kann.
‚Hausehre‘ und die Herrschaftsfähigkeit des Hausherrn, der einem wohl geordneten Haus vorsteht, legten den Grund für die in der ersten Förderphase untersuchten, sehr vielfältigen Thematisierungen des Herrschers als Gast in der profanen Wandmalerei. Dies gilt aber ebenso für die oft im Kontext des Hauses anzutreffenden Darstellungen konventionellen Ordnungswissens der Eliten zur Herrschaft, zu Gesellschaft und Welt sowie zum Haus und der rechten Haushaltung. Sie rücken in der zweiten Förderphase ohne realen oder imaginierten Herrscher als Gast ins Zentrum, wobei das bereits Erarbeitete aber weiterhin die Basis bildet, von der aus die Thematisierung von Macht und Herrschaft in der profanen Wandmalerei des Mittelalters und anderen hausbezogenen Bildbeständen an Wirkereien und Gläsern als Projektionsfläche der Auftraggeber im Hinblick auf ihren elitären Selbstentwurf innerhalb herrschaftsbezogener Ordnungsvorstellungen erschlossen wird.
Dies gilt auch für das Forschungsvorhaben Kremers als Postdoktorand zuStrategien der in den Städten vor allem Italiens ansässigen Eliten, im Zeitraum von 1300–1700 ihren Anspruch auf Macht und Teilhabe an Herrschaft mit (para-)heraldisch (Pastoureau 1985) konnotierten Bildern, Objekten und performativen Akten zu visualisieren. Es knüpft damit einerseits in vielfältiger Weise an die erste Förderphase an, innerhalb derer profane Wandmalereien gleicher Zeitstellung und desselben geographischen Raumes analysiert wurden, und basiert andererseits auf dem Aufschwung, den die wissenschaftliche Heraldik zuletzt im Zuge der neueren Kulturgeschichte erlebte, der sie aus dem Schattendasein als reine Hilfswissenschaft herausgeführt hat. So besitzt das von Torsten Hiltmann in Münster geleitete Forschungsprojekt zur ‚Performanz der Wappen‘ erhebliche Anknüpfungspunkte zum Vorhaben, weitet es doch ebenfalls den lange eher engen heraldischen Blickwinkel hin zu einer stärker kontextualisierenden Betrachtung der in einem Medienverbund inszenierten Wappen. Weiter sind die Studien Christoph Friedrich Webers (2011) und Paolo Zaninettas (2013) zu nennen, die neben der historischen Perspektive auch visuelle Strategien heraldischer Repräsentation der italienischen Kommunen bzw. der Mailänder Stadtherren Visconti in den Blick nahmen und damit wesentliche Vorarbeit in den arbeitsrelevanten Bereichen geleistet haben. Weiterhin sind auch die Untersuchungen Peter Seilers (2004) (für Italien) und Kilian Hecks (2002) (für den deutschen Sprachraum) zu nennen, die u. a. die politisch determinierte, mitunter in hohem Maße konfliktreiche Verteilung von Wappen der Stadtherrn im öffentlichen Stadtraum untersuchten, und damit der zweiten Phase des Teilprojektes inhaltlich vorausgehen. Allerdings fehlt bislang eine vergleichende Betrachtung der heraldischen Strategien miteinander konkurrierender und/oder kooperierender Eliten in vormodernen italienischen Städten in Hinblick auf die Aspekte Macht und Herrschaft, die hier vorgelegt werden soll, wobei sie von Einzelfallstudien, wie den oben genannten, inhaltlich und methodisch ebenso profitieren kann wie von dem selbst in der ersten Phase des SFB Erarbeiteten.
Forschungsdaten - wo sind sie zu finden?
Primärquellen
Sekundärquellen - Bibliografie
- Fabian Brenker/Steffen Kremer/Christoph Merzenich (2019), Wiederentdeckte mittelalterliche Wandmalereien aus Artins (Frankreich) im Deutschen Burgenmuseum auf der Veste Heldburg, in: Kunstchronik 72/4, 190–196.
- Michael Dallapiazza (1981), minne, hûsêre und das ehlich leben. Zur Konstitution bürgerlicher Lebensmuster in spätmittelalterlichen und frühhumanistischen Didaktiken (Europäische Hochschulschriften, Reihe I: Deutsche Sprache und Literatur 455), Frankfurt/M. et al.
- Joachim Eibach (2004),Das Haus: zwischen öffentlicher Zugänglichkeit und geschützter Privatheit (16.–18. Jahrhundert), in: Susanne Rau/Gerd Schwerhoff (edd.), Zwischen Gotteshaus und Taverne. Öffentliche Räume im Spätmittelalter und Früher Neuzeit, Köln et al., 183–205.
- Kilian Heck (2002), Genealogie als Monument und Argument. Der Beitrag dynastischer Wappen zur politischen Raumbildung der Neuzeit (Kunstwissenschaftliche Studien 98), München et al.
- Eckart Conrad Lutz/Johanna Thali/René Wetzel (edd.) (2002), Literatur und Wandmalerei I. Erscheinungsformen höfischer Kultur und ihre Träger im Mittelalter, Tübingen.
- Dies. (edd.) (2005), Literatur und Wandmalerei II. Konventionalität und Konversation (Burgdorfer Colloquium 2001), Tübingen.
- Michel Pastoureau (1985), L’effervescence emblématique et les origines héraldiques du portrait au XIVe siècle, in: Bulletin de la société nationale des antiquaires de France, Paris, 108–115.
- Peter Seiler (2004), Kommunale Heraldik und die Visibilität politischer Ordnung. Beobachtungen zu einem wenig beachteten Phänomen der Stadtästhetik von Florenz, 1250–1400, in: Michael Stolleis/Ruth Wolff (edd.), La belezza della città: Stadtrecht und Stadtgestaltung im Italien des Mittelalters und der Renaissance, Tübingen, 205–240.
- Christoph Friedrich Weber (2011), Zeichen der Ordnung und des Aufruhrs. Heraldische Symbolik in italienischen Stadtkommunen des Mittelalters (Symbolische Kommunikation in der Vormoderne), Köln et al.
- Harald Wolter-von dem Knesebeck (2005), Zahm und wild: Thematische Spannungsverhältnisse und ihre (topographische) Organisation: Die Wandmalereien des Jagdzimmers von Schloß Moos in Eppan, in: Eckart Conrad Lutz et al. (edd.), Literatur und Wandmalerei II. Konventionalität und Konversation, Tübingen, 479–519, Abb. 107–117, Farbtaf. XIV–XV.
- Paolo Zaninetta (2013), Il potere raffigurato: simbolo, mito e propaganda nell´ascesa della signoria viscontea (Studi di scienze della storia e della società 11), Milano.
Publikationslisten
Veröffentlichungen
- Steffen Kremer (2019), Marchionatus Saluciarum dignissimo gubernatori – Erkenntnisse zur Phantasieheraldik der Sala baronale des Castello della Manta, in: Ulrike Heinrichs et al. (edd.), Neue Forschungen zur Wandmalerei des Mittelalters (Akten zur gleichnamigen Tagung an der Universität Paderborn 10.–12.06.2015), Regensburg 2019, 143–152.
- Svenja Trübenbach (2018), Konradin und Karl von Anjou – Die Wandmalereien in Pernes-les-Fontaines, in: Gesellschaft für staufische Geschichte e.V. (ed.), Konradin (1252–1268) – der letzte Staufer, Göppingen, 89–116.
- Harald Wolter-von dem Knesebeck (2017), Secular Iconography, in: Colum Hourihane (ed.), The Routledge Companion to Medieval Iconography, London et al., 251–266.
- Ders. (2016), Die Wandmalereien auf der Gamburg und ihr Bildprogramm im Kontext der profanen Wandmalerei des Mittelalters, in: Peter Rückert et al. (edd.), Repräsentation und Erinnerung. Herrschaft, Literatur und Architektur im Hohen Mittelalter an Main und Tauber, Stuttgart, 179–203.
- Ders. (2015), Die Bedeutung des Themenkreises „Haus“ in der profanen Wandmalerei des Spätmittelalters für die Genese der Genremalerei, in: Birgit Ulrike Münch/Jürgen Müller (edd.), Peiraikosʼ Erben. Die Genese der Genremalerei bis 1550 (Trierer Beiträge zu den historischen Kulturwissenschaften 14), Wiesbaden, 267–295, Farbtaf. 17–21.
- Ders. (2010), Zur Verwendung von Druckgraphik in der profanen Wandmalerei, in: Wolfgang Augustyn/Ulrich Söding (edd.), Original – Kopie – Zitat. Kunstwerke des Mittelalters und der Frühen Neuzeit: Wege der Aneignung – Formen der Überlieferung (Veröffentlichungen des Zentralinstituts für Kunstgeschichte in München 26), Passau, 333–352.
- Ders. (2009), Der König als Gast. Formen der Vergegenwärtigung und Indienstnahme königlicher Präsenz in der profanen Wandmalerei der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, in: Stefanie Rüther (ed.), Integration und Konkurrenz. Symbolische Kommunikation in der spätmittelalterlichen Stadt (Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme. Schriftenreihe des Sonderforschungsbereichs 496, 21), Münster, 111–129, Abb. 1–13.
- Ders. (2008), Bilder für Friedrich II.? Die Wandmalerei der Torre Abbaziale von San Zeno in Verona, in: Knut Görich et al. (edd.), Herrschaftsräume, Herrschaftspraxis und Kommunikation zur Zeit Kaiser Friedrichs II., München, 207–227.
- Ders. (2007), “Hûsêre” and the “Topography of Contrasts” in 15th Century Mural Paintings from Tyrol and Trentino, in: Luís Urbano Afonso et al. (edd.), Out of the Stream: Studies in Medieval and Renaissance Mural Painting, Cambridge, 22–41
Tagungsteilnahmen
Veranstaltungen (Kolloquien, ...)
- Vortrag im Rahmen der Ringvorlesung des SFB 1167: Prof. Dr. Harald Wolter-von dem Knesebeck zum Thema „Der König als Gast – Haus und Herrschaft in der profanen Wandmalerei: Frühe italienische Beispiele in Verona und San Gimignano (23.05.17)
- Workshop: „Wandmalerei als Objekt – Methodische Gedankenspiele“ (01.12.17/02.12.17)
- Vortrag: Prof. Dr. Harald Wolter-von dem Knesebeck zum Thema „Die Einbindung hochrangiger Stifterpersönlichkeiten in komplexe Schriftbild-Hybride in liturgischen Prachthandschriften des Früh- und Hochmittelalters“ (17.05.18)
- Workshop zum Thema „Haus und Herrschaft (visuell) – Interdisziplinäre und transkulturelle Zugänge“ (25./26.01.19)
Projekt
Projektleitung
Prof. Dr. Harald Wolter-von dem Knesebeck
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Kunsthistorisches Institut
Regina-Pacis-Weg 1
53113 Bonn
+49-(0)228-734781
hwolter[at]uni-bonn.de
Projektmitarbeit
Steffen Kremer, M.A. (Wissenschaftlicher Mitarbeiter)
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Kunsthistorisches Institut
Etscheidhof DFG-Raum
Am Hof 3-5
53113 Bonn
+49-(0)228-735989
steffen.kremer[at]uni-bonn.de
Assoziierte Projektmitarbeit
Svenja Trübenbach, M.A.
s.truebenbach[at]uni-bonn.de
Spannungsfelder assoziierte TP's
Aktuelle Forschung (Andere Projekte mit ähnlicher Forschung)
Linked Open Data (hilfreiche Webseiten/Links)