Englische Königsherrschaft im Spiegel der Tyrannenschelte (1066–1216): Unterschied zwischen den Versionen
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'''15 – TP Plassmann''' | |||
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Die überaus reichhaltige historiographische Überlieferung Englands, in der sich auch Reflexionsprozesse über herrscherliche Maßnahmen fassen lassen, wird in diesem Teilprojekt genutzt, um die Frage nach Methode und Effekt von ‚Tyrannenschelte‘ zu stellen. Dadurch ergeben sich Möglichkeiten, Macht und Herrschaft und vor allem den z.T. kritischen Diskurs über sie genauer zu erfassen und Erkenntnisse zu gewinnen, in welcher Form Herrschaftsausübung in einer vormodernen Gesellschaft überhaupt in Kritik geriet, welche Formen von Machtausübung kritisiert wurden und inwieweit der kritische Diskurs Einfluss auf den Herrscher hatte. | |||
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'''Spannungsfelder''' | |||
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[[Spannungsfelder::Spannungsfeld_A|A: Konflikt und Konsens]] | |||
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[[Spannungsfelder::Spannungsfeld_D|D: Kritik und Idealisierung]] | |||
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'''Interdisziplinäre Transkulturalitätswerkstätten''' | |||
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[[ITW::Historische Semantik]] | [[ITW::Historische Semantik]] | ||
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[[ITW::Legitimation]] | |||
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[[ITW::Hof]] | [[ITW::Hof]] | ||
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[[ITW::Herrscherkritik/Ratgeber]] | [[ITW::Herrscherkritik/Ratgeber]] | ||
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[[ITW::Frau(en) des Herrschers/Weibliche Herrschaft]] | [[ITW::Die Frau(en) des Herrschers/Weibliche Herrschaft]] | ||
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<span style="text-autospace:none">'''<span style="line-height:150%">Ergebnisse und Methoden</span>'''</span> | <span style="text-autospace:none">'''<span style="line-height:150%">Ergebnisse und Methoden</span>'''</span> | ||
<p style="border:none; border-bottom:0cm none black; margin-bottom:3.0pt; text-align:justify; padding:0cm; padding-top:0cm; padding-bottom:0cm"><span style="text-autospace:none"><span style="line-height:150%">Zur Beantwortung dieser Fragen wurden die historiographischen Schriften zunächst systematisiert (Entstehungszeit; Entstehungskontext und Verfasserhintergrund; Sprache). In einem zweiten Schritt wurde anhand verfasser- und werkübergreifender Befunde eine analytische Kategorisierung erstellt, die der Systematisierung der Bearbeitung dienen sollte. Dazu gehörte zunächst die Unterscheidung textinterner und textexterner Kritikparameter, zu deren Bearbeitung Erkenntnisse der (germanistischen) Narratologie-Theorie zugezogen wurden. Wichtige Paramater waren so die Adressaten der Kritik, wer diese Kritik im Narrativ aussprach, welche sozialen Gruppen zu Kritik berechtigt waren, welche Gegenstände diese Kritik hatte. Darüber hinaus galt für externe wie interne Kritik die Frage nach den Kontexten der Kritik, den Foren, also an welchen Orten und in welchen Personenkonstellationen wurde Kritik geäußert, und welches Ziel verfolgte die Formulierung von Kritik. Stand dahinter eine reine Benennung von Missständen, die Erwartung der Änderung der benannten Kritikpunkte oder gar eine Ablehnung von Herrschaftsverhältnissen und Herrschaftssystemen?</span></span></p> <p style="border:none; border-bottom:0cm none black; margin-bottom:3.0pt; text-align:justify; padding:0cm; padding-top:0cm; padding-bottom:0cm"><span style="text-autospace:none"><span style="line-height:150%">Daran anschließend konnte überprüft werden, inwieweit es eine zeitgenössische Theorie und eine Strategie der Kritik gab, in etwa wie Kritik zu äußern war und welchen Amtsträgern explizit ein Recht auf Kritik und die Erwartung der Formulierung von Kritik angetragen wurde. An diese Befunde anschließend stand sodann die Frage nach der Rezeption von Kritik. Kritik von Zeitgenossen wurde durch Zeitgenossen nicht immer als Kritik perzipiert und reflektiert. Die sich stetig wiederholenden Kritikmuster sprechen dafür, dass die Herrscherkritik oftmals ungehört verhallte, wenn es nicht gelang, grundsätzliche Probleme in politische Forderungen zu gießen, wie es etwa bei den Forderungen der Barone gegen Johann Ohneland geschah, bei denen gängige Muster der Kritik konkrete Anwendung fanden.</span></span></p> <p style="border:none; border-bottom:0cm none black; margin-bottom:3.0pt; text-align:justify; padding:0cm; padding-top:0cm; padding-bottom:0cm"><span style="text-autospace:none"><span style="line-height:150%">Zu den zentralen Ergebnissen des TP 15 zählen, dass Kritik auch zu Lebzeiten des Herrschers am Ideal der gerechten Herrschaft stets auch explizit ausformuliert werden konnte. Die Orientierung der Verfasser an akzeptierten Normen und Idealen diente ihnen gleichwohl als Gradmesser angemessenen Verhaltens, limitierte die Kritik aber auch auf systemimmanente Zielsetzungen, die niemals auf die Infragestellung eines Herrschaftssystems (Königtum) hinausliefen. Die Kritisierten hingegen nutzten die beanstandeten Maßnahmen, z. B. die Förderung inkompetenter und ungeeigneter Höflinge oder massive Steuerlast, als herrschaftssichernde Instrumente und änderten den Gebrauch entweder unbeeindruckt der Kritik oder in schlichter Unkenntnis von ihr nicht. So ist zu beobachten, dass diejenigen Herrschaftsmaßnahmen, denen durch die Kommentatoren Legitimität abgesprochen wurde, ganz erheblich zur Stabilisierung königlicher Herrschaft beitrugen und wesentliche Grundpfeiler einer starken Königsherrschaft im Untersuchungszeitraum waren. Gleichzeitig lässt sich indes feststellen, dass die geäußerte Kritik keinesfalls nur Meinung eines kleinen Zirkels von klerikalen Schreibern, sondern gerade was die mangelnde Beratungswilligkeit des Königs angeht, ein offenbar vielfältig erlebtes Defizit war, das dann auch in politische Forderung eingebracht wurde. Gleichzeitig konnte ausgearbeitet werden, dass die Historiographie in England im 12. Jahrhundert Kritikmuster entwickelte, die über die bloße Deutung von Ereignissen im Sinne der jeweiligen Autoren durchaus hinausgehen. Der plötzliche Tod von Wilhelm II. Rufus auf der Jagd kann als ein Auslöser für die Verwendung des Motives vom ‚Straftod‘ gelten, das in England insbesondere deshalb an Brisanz gewann, weil plötzliche Todesfälle deutlich häufiger vorkamen als andernorts. Als Eingreifen Gottes in die Geschichte verstanden, wurde dies zum willkommenen Deutungsmuster, an dem schlechte Herrschaft geradezu bewiesen werden konnte. Das Kritikmuster wurde erweitert, indem bei natürlichen Todesfällen unehrenhafte Begräbnisse herangezogen wurden, um wiederum den Beweis dafür zu erbringen, dass ein König schlecht geherrscht hatte. Auch wenn mit Hilfe dieses Musters Kritik immer nur im Nachhinein formuliert wurde, ist die Stoßrichtung auf den lebenden Herrscher hin, kaum zu übersehen. Das Versprechen neuer Könige ‚besser‘ zu herrschen als die Vorgänger konnte sich so zu einer Kritik verdichten, die den König schon zu Lebzeiten eine Selbstverpflichtung auf Änderung der Herrschaftsstrategien abverlangte.</span></span></p> <p style="border:none; border-bottom:0cm none black; margin-bottom:3.0pt; text-align:justify; padding:0cm; padding-top:0cm; padding-bottom:0cm"><span style="text-autospace:none"><span style="line-height:150%">Gewissermaßen als Nebenprodukt der Beschäftigung mit englischer Königsherrschaft entstand ein Sammelband, in dem verschiedene Aspekte von Herrschaft bei den Staufern und den Plantagenets im Mittelpunkt standen, wodurch der Blick der am TP 15 Beteiligten auf die englische Herrschaft und ihre Sonderstellung geschärft werden konnte.</span></span></p> <p style="border:none; border-bottom:0cm none black; margin-bottom:3.0pt; text-align:justify; padding:0cm; padding-top:0cm; padding-bottom:0cm"><span style="text-autospace:none"><span style="line-height:150%">Die Ergebnisse des Teilprojektes sollen in einem sogenannten ‚short monograph‘ von etwa 120 Seiten von der TP-Leiterin vorgestellt werden.</span></span></p> <p style="border:none; border-bottom:0cm none black; margin-bottom:3.0pt; text-align:justify; padding:0cm; padding-top:0cm; padding-bottom:0cm"><span style="text-autospace:none"><span style="line-height:150%">Die Dissertation vom TP-Mitarbeiter Dominik Büschken wurde fertiggestellt und eingereicht.</span></span></p> <p style="border:none; border-bottom:0cm none black; margin-bottom:3.0pt; text-align:justify; padding:0cm; padding-top:0cm; padding-bottom:0cm"><span style="text-autospace:none">'''<span style="line-height:150%">Probleme und Schwierigkeiten</span>'''</span></p> <p style="border:none; border-bottom:0cm none black; margin-bottom:3.0pt; text-align:justify; padding:0cm; padding-top:0cm; padding-bottom:0cm"><span style="text-autospace:none"><span style="line-height:150%">Schwierigkeiten bei der Bearbeitung ergaben sich zum einen aus dem uneinheitlichen Gebrauch der lateinischen Terminologie bei den einzelnen Verfassern, weshalb eine Semantik der Kritik nur sehr vage an den Gebrauch spezifischer Termini gebunden werden konnte. Außerdem muss die Frage nach den Adressaten und den tatsächlichen Rezipienten, insbesondere bei monastischer Kritik im Kontext der Historiographie, aufgrund fehlender Forschungsdaten ein Stück weit unbeantwortet bleiben und kann nur über die Annäherung beantwortbar sein. Daran schließt sich an, dass die Zielsetzung der Kritik nicht abschließend einwandfrei offengelegt werden kann, auch wenn die Auswirkungen der Kritikbereitschaft in den politischen Oppositionen des 12. Jahrhunderts deutlich zu fassen sind.</span></span></p> <p style="border:none; border-bottom:0cm none black; margin-bottom:3.0pt; text-align:justify; padding:0cm; padding-top:0cm; padding-bottom:0cm"><span style="text-autospace:none">'''<span style="line-height:150%">Bezüge mit anderen TPs</span>'''</span></p> <p style="border:none; border-bottom:0cm none black; margin-bottom:3.0pt; text-align:justify; padding:0cm; padding-top:0cm; padding-bottom:0cm"><span style="text-autospace:none"><span style="line-height:150%">Bezüge ergaben sich vor allem zu den TPs, die wie TP 15 ebenfalls mit erzählenden Texten arbeiteten. Zu nennen sind hier insbesondere TP 02 Becher/Dohmen, TP 05 Brüggen, TP 06 Conermann, TP 08 Dumitrescu und TP 11 Klaus. In der ITW zur ‚Historischen Semantik‘ (mit Beteiligung des TP 01 Albert, TP 02 Becher/Dohmen, TP 05 Brüggen, TP 06 Conermann, TP 10 Kellermann, TP 11 Klaus, TP 13 Morenz, TP 14 Orthmann, TP 16 Schwermann und TP 19 Taranczewski/Schley) stand die Methode im Umgang mit narrativen Quellen im Vordergrund. Da die Geschichtswissenschaft im Grunde genommen schon vor der Prägung des Begriffs mit dieser Methode gearbeitet hat, konnte das TP 15 sich hier in die Diskussion besonders gut einbringen. Die TP-Leiterin selbst hat eine ITW zu ‚Herrscherkritik‘ angestoßen, an dem die TP 01 Albert, TP 05 Brüggen, TP 06 Conermann, TP 10 Kellermann, TP 11 Klaus, TP 16 Schwermann, TP 20 Vössing und TP 22 Stieldorf beteiligt waren. Dort konnte ein Raster für Kritik am Herrscher erarbeitet werden, dass sich zum einen bei der Arbeit in den Einzelprojekten bewährt hat, aber auch Möglichkeiten des Vergleichs eröffnet hat, die bei der Diskussion der Texte der TPs in die Analyse fruchtbar eingeflossen sind. Unter Federführung der Teilprojektleitenden wurde in der ITW ‚Herrscherkritik‘ mit der Figur des Ratgebers ein transkulturelles Phänomen als Beispiel für die Anwendung des Kategorienschemas untersucht. Es ergibt sich, dass bei aller Unterschiedlichkeit gerade in der Frage nach einem offiziellen Ratgeber doch zu beobachten ist, dass Bedingungen des Ratgebens (wie etwa die Vermeidung der Wiederholung von Rat oder die Aufbereitung des Ratschlages, die eine Annahme wahrscheinlicher macht, sei es durch Inszenierung der Situation, sei es durch das universell anwendbare historische Beispiel) vergleichbar sind. Die Ergebnisse werden in einem Sammelband zugänglich gemacht (Plassmann [ed.] [2020], Die Figur des Ratgebers (Studien zu Macht und Herrschaft 6), Göttingen). Die Arbeit in der ITW ist auch in die Vorbereitung der Tagung ‚Kritik am Herrscher. Möglichkeiten, Chancen und Methoden‘ eingeflossen, die von TP 15 zusammen mit TP 10 Kellermann und TP 16 Schwermann vorbereitet wurde. Bei der von den TP-Leitenden gemeinsam verfassten Einleitung zu dem Sammelband konnten vielfältig transkulturelle Aspekte der Herrscherkritik aufgezeigt werden, die die Forschung in vielen Disziplinen anregen können. TP 15 war auch an der ITW zur Legitimation beteiligt. Aus der Arbeit dieser ITW ist ein von TP 06 Conermann herausgegebener Sammelband hervorgegangen, in dem die Legitimation des Herrschaftsübergangs im Mittelpunkt stand (Trausch [ed.] [2019], </span><span style="line-height:150%">Norm, Normabweichung und Praxis des Herrschaftsübergangs in transkultureller Perspektive [Macht und Herrschaft 3], Göttingen)</span><span style="line-height:150%">. Die Betrachtung außergewöhnlicher Herrschaftsübergänge macht deutlich, dass eine Prävalenz der dynastischen Folge nicht eindeutig gegeben ist. Der TP 15 Mitarbeiter, Dominik Büschken hat im Rahmen dieser Zusammenarbeit einen Beitrag zu einem didaktischen Readerprojekt (TP 01 Albert, TP 06 Conermann, TP 14 Ortmann, TP 20 Vössing, TP 21 Wolter-von dem Knesebeck) zur Vermittlung transkultureller Forschungsarbeit an Studierende beigesteuert. Mit TP 02 Becher/Dohmen wurde beim International Medieval Congress in Leeds 2017 eine Sektion zum Thema ‚How to criticise a king?‘ angeboten, bei der der Vergleich innerhalb der Geschichtswissenschaft im Vordergrund stand.</span></span></p> <p style="border:none; border-bottom:0cm none black; margin-bottom:3.0pt; text-align:justify; padding:0cm; padding-top:0cm; padding-bottom:0cm"><span style="text-autospace:none">'''<span style="line-height:150%">Vergleich mit Arbeiten außerhalb des SFB</span>'''</span></p> <p style="border:none; margin-bottom:3.0pt; text-align:justify; padding:0cm; padding-top:0cm"><span style="text-autospace:none"><span style="line-height:150%">Die Verortung der Teilprojektleiterin in Bonn und der Schwerpunkt des Teilprojektes auf die englische Geschichte macht eine enge Verzahnung mit englischen Experten rund um die Fragestellungen des TP 15 unerlässlich. Dazu zählen insbesondere die Arbeiten Stephen Churchs, Björn Weilers, Emily A. Winklers und Elisabeth van Houts, die jeweils als Gastvorträger und Partizipierende an TP Workshops in die Arbeit des TP 15 involviert wurden und deren Perspektiven und Beitrage so die Befunde des TP 15 stärkten. Dass die Arbeiten des TP 15 auch international Aufmerksamkeit auf sich ziehen, wird etwa daran deutlich, dass Ryan Kemp, der zur ‚Admonitio‘ (Ermahnung) durch Bischöfe an die Adresse englischer und römisch-deutscher Herrscher arbeitet, sich die Universität Bonn als Gastuniversität für sein Post-Graduate Stipendium des Leverhulme Trusts ausgewählt hat. Er wird von Oktober 2019 an für zwei Jahre in Bonn sein und eng mit Alheydis Plassmann und Dominik Büschken zusammenarbeiten und sich austauschen.</span></span></p> </div> | <p style="border:none; border-bottom:0cm none black; margin-bottom:3.0pt; text-align:justify; padding:0cm; padding-top:0cm; padding-bottom:0cm"><span style="text-autospace:none"><span style="line-height:150%">Zur Beantwortung dieser Fragen wurden die historiographischen Schriften zunächst systematisiert (Entstehungszeit; Entstehungskontext und Verfasserhintergrund; Sprache). In einem zweiten Schritt wurde anhand verfasser- und werkübergreifender Befunde eine analytische Kategorisierung erstellt, die der Systematisierung der Bearbeitung dienen sollte. Dazu gehörte zunächst die Unterscheidung textinterner und textexterner Kritikparameter, zu deren Bearbeitung Erkenntnisse der (germanistischen) Narratologie-Theorie zugezogen wurden. Wichtige Paramater waren so die Adressaten der Kritik, wer diese Kritik im Narrativ aussprach, welche sozialen Gruppen zu Kritik berechtigt waren, welche Gegenstände diese Kritik hatte. Darüber hinaus galt für externe wie interne Kritik die Frage nach den Kontexten der Kritik, den Foren, also an welchen Orten und in welchen Personenkonstellationen wurde Kritik geäußert, und welches Ziel verfolgte die Formulierung von Kritik. Stand dahinter eine reine Benennung von Missständen, die Erwartung der Änderung der benannten Kritikpunkte oder gar eine Ablehnung von Herrschaftsverhältnissen und Herrschaftssystemen?</span></span></p> <p style="border:none; border-bottom:0cm none black; margin-bottom:3.0pt; text-align:justify; padding:0cm; padding-top:0cm; padding-bottom:0cm"><span style="text-autospace:none"><span style="line-height:150%">Daran anschließend konnte überprüft werden, inwieweit es eine zeitgenössische Theorie und eine Strategie der Kritik gab, in etwa wie Kritik zu äußern war und welchen Amtsträgern explizit ein Recht auf Kritik und die Erwartung der Formulierung von Kritik angetragen wurde. An diese Befunde anschließend stand sodann die Frage nach der Rezeption von Kritik. Kritik von Zeitgenossen wurde durch Zeitgenossen nicht immer als Kritik perzipiert und reflektiert. Die sich stetig wiederholenden Kritikmuster sprechen dafür, dass die Herrscherkritik oftmals ungehört verhallte, wenn es nicht gelang, grundsätzliche Probleme in politische Forderungen zu gießen, wie es etwa bei den Forderungen der Barone gegen Johann Ohneland geschah, bei denen gängige Muster der Kritik konkrete Anwendung fanden.</span></span></p> <p style="border:none; border-bottom:0cm none black; margin-bottom:3.0pt; text-align:justify; padding:0cm; padding-top:0cm; padding-bottom:0cm"><span style="text-autospace:none"><span style="line-height:150%">Zu den zentralen Ergebnissen des TP 15 zählen, dass Kritik auch zu Lebzeiten des Herrschers am Ideal der gerechten Herrschaft stets auch explizit ausformuliert werden konnte. Die Orientierung der Verfasser an akzeptierten Normen und Idealen diente ihnen gleichwohl als Gradmesser angemessenen Verhaltens, limitierte die Kritik aber auch auf systemimmanente Zielsetzungen, die niemals auf die Infragestellung eines Herrschaftssystems (Königtum) hinausliefen. Die Kritisierten hingegen nutzten die beanstandeten Maßnahmen, z. B. die Förderung inkompetenter und ungeeigneter Höflinge oder massive Steuerlast, als herrschaftssichernde Instrumente und änderten den Gebrauch entweder unbeeindruckt der Kritik oder in schlichter Unkenntnis von ihr nicht. So ist zu beobachten, dass diejenigen Herrschaftsmaßnahmen, denen durch die Kommentatoren Legitimität abgesprochen wurde, ganz erheblich zur Stabilisierung königlicher Herrschaft beitrugen und wesentliche Grundpfeiler einer starken Königsherrschaft im Untersuchungszeitraum waren. Gleichzeitig lässt sich indes feststellen, dass die geäußerte Kritik keinesfalls nur Meinung eines kleinen Zirkels von klerikalen Schreibern, sondern gerade was die mangelnde Beratungswilligkeit des Königs angeht, ein offenbar vielfältig erlebtes Defizit war, das dann auch in politische Forderung eingebracht wurde. Gleichzeitig konnte ausgearbeitet werden, dass die Historiographie in England im 12. Jahrhundert Kritikmuster entwickelte, die über die bloße Deutung von Ereignissen im Sinne der jeweiligen Autoren durchaus hinausgehen. Der plötzliche Tod von Wilhelm II. Rufus auf der Jagd kann als ein Auslöser für die Verwendung des Motives vom ‚Straftod‘ gelten, das in England insbesondere deshalb an Brisanz gewann, weil plötzliche Todesfälle deutlich häufiger vorkamen als andernorts. Als Eingreifen Gottes in die Geschichte verstanden, wurde dies zum willkommenen Deutungsmuster, an dem schlechte Herrschaft geradezu bewiesen werden konnte. Das Kritikmuster wurde erweitert, indem bei natürlichen Todesfällen unehrenhafte Begräbnisse herangezogen wurden, um wiederum den Beweis dafür zu erbringen, dass ein König schlecht geherrscht hatte. Auch wenn mit Hilfe dieses Musters Kritik immer nur im Nachhinein formuliert wurde, ist die Stoßrichtung auf den lebenden Herrscher hin, kaum zu übersehen. Das Versprechen neuer Könige ‚besser‘ zu herrschen als die Vorgänger konnte sich so zu einer Kritik verdichten, die den König schon zu Lebzeiten eine Selbstverpflichtung auf Änderung der Herrschaftsstrategien abverlangte.</span></span></p> <p style="border:none; border-bottom:0cm none black; margin-bottom:3.0pt; text-align:justify; padding:0cm; padding-top:0cm; padding-bottom:0cm"><span style="text-autospace:none"><span style="line-height:150%">Gewissermaßen als Nebenprodukt der Beschäftigung mit englischer Königsherrschaft entstand ein Sammelband, in dem verschiedene Aspekte von Herrschaft bei den Staufern und den Plantagenets im Mittelpunkt standen, wodurch der Blick der am TP 15 Beteiligten auf die englische Herrschaft und ihre Sonderstellung geschärft werden konnte.</span></span></p> <p style="border:none; border-bottom:0cm none black; margin-bottom:3.0pt; text-align:justify; padding:0cm; padding-top:0cm; padding-bottom:0cm"><span style="text-autospace:none"><span style="line-height:150%">Die Ergebnisse des Teilprojektes sollen in einem sogenannten ‚short monograph‘ von etwa 120 Seiten von der TP-Leiterin vorgestellt werden.</span></span></p> <p style="border:none; border-bottom:0cm none black; margin-bottom:3.0pt; text-align:justify; padding:0cm; padding-top:0cm; padding-bottom:0cm"><span style="text-autospace:none"><span style="line-height:150%">Die Dissertation vom TP-Mitarbeiter Dominik Büschken wurde fertiggestellt und eingereicht.</span></span></p> <p style="border:none; border-bottom:0cm none black; margin-bottom:3.0pt; text-align:justify; padding:0cm; padding-top:0cm; padding-bottom:0cm"><span style="text-autospace:none">'''<span style="line-height:150%">Probleme und Schwierigkeiten</span>'''</span></p> <p style="border:none; border-bottom:0cm none black; margin-bottom:3.0pt; text-align:justify; padding:0cm; padding-top:0cm; padding-bottom:0cm"><span style="text-autospace:none"><span style="line-height:150%">Schwierigkeiten bei der Bearbeitung ergaben sich zum einen aus dem uneinheitlichen Gebrauch der lateinischen Terminologie bei den einzelnen Verfassern, weshalb eine Semantik der Kritik nur sehr vage an den Gebrauch spezifischer Termini gebunden werden konnte. Außerdem muss die Frage nach den Adressaten und den tatsächlichen Rezipienten, insbesondere bei monastischer Kritik im Kontext der Historiographie, aufgrund fehlender Forschungsdaten ein Stück weit unbeantwortet bleiben und kann nur über die Annäherung beantwortbar sein. Daran schließt sich an, dass die Zielsetzung der Kritik nicht abschließend einwandfrei offengelegt werden kann, auch wenn die Auswirkungen der Kritikbereitschaft in den politischen Oppositionen des 12. Jahrhunderts deutlich zu fassen sind.</span></span></p> <p style="border:none; border-bottom:0cm none black; margin-bottom:3.0pt; text-align:justify; padding:0cm; padding-top:0cm; padding-bottom:0cm"><span style="text-autospace:none">'''<span style="line-height:150%">Bezüge mit anderen TPs</span>'''</span></p> <p style="border:none; border-bottom:0cm none black; margin-bottom:3.0pt; text-align:justify; padding:0cm; padding-top:0cm; padding-bottom:0cm"><span style="text-autospace:none"><span style="line-height:150%">Bezüge ergaben sich vor allem zu den TPs, die wie TP 15 ebenfalls mit erzählenden Texten arbeiteten. Zu nennen sind hier insbesondere TP 02 Becher/Dohmen, TP 05 Brüggen, TP 06 Conermann, TP 08 Dumitrescu und TP 11 Klaus. In der ITW zur ‚Historischen Semantik‘ (mit Beteiligung des TP 01 Albert, TP 02 Becher/Dohmen, TP 05 Brüggen, TP 06 Conermann, TP 10 Kellermann, TP 11 Klaus, TP 13 Morenz, TP 14 Orthmann, TP 16 Schwermann und TP 19 Taranczewski/Schley) stand die Methode im Umgang mit narrativen Quellen im Vordergrund. Da die Geschichtswissenschaft im Grunde genommen schon vor der Prägung des Begriffs mit dieser Methode gearbeitet hat, konnte das TP 15 sich hier in die Diskussion besonders gut einbringen. Die TP-Leiterin selbst hat eine ITW zu ‚Herrscherkritik‘ angestoßen, an dem die TP 01 Albert, TP 05 Brüggen, TP 06 Conermann, TP 10 Kellermann, TP 11 Klaus, TP 16 Schwermann, TP 20 Vössing und TP 22 Stieldorf beteiligt waren. Dort konnte ein Raster für Kritik am Herrscher erarbeitet werden, dass sich zum einen bei der Arbeit in den Einzelprojekten bewährt hat, aber auch Möglichkeiten des Vergleichs eröffnet hat, die bei der Diskussion der Texte der TPs in die Analyse fruchtbar eingeflossen sind. Unter Federführung der Teilprojektleitenden wurde in der ITW ‚Herrscherkritik‘ mit der Figur des Ratgebers ein transkulturelles Phänomen als Beispiel für die Anwendung des Kategorienschemas untersucht. Es ergibt sich, dass bei aller Unterschiedlichkeit gerade in der Frage nach einem offiziellen Ratgeber doch zu beobachten ist, dass Bedingungen des Ratgebens (wie etwa die Vermeidung der Wiederholung von Rat oder die Aufbereitung des Ratschlages, die eine Annahme wahrscheinlicher macht, sei es durch Inszenierung der Situation, sei es durch das universell anwendbare historische Beispiel) vergleichbar sind. Die Ergebnisse werden in einem Sammelband zugänglich gemacht (Plassmann [ed.] [2020], Die Figur des Ratgebers (Studien zu Macht und Herrschaft 6), Göttingen). Die Arbeit in der ITW ist auch in die Vorbereitung der Tagung ‚Kritik am Herrscher. Möglichkeiten, Chancen und Methoden‘ eingeflossen, die von TP 15 zusammen mit TP 10 Kellermann und TP 16 Schwermann vorbereitet wurde. Bei der von den TP-Leitenden gemeinsam verfassten Einleitung zu dem Sammelband konnten vielfältig transkulturelle Aspekte der Herrscherkritik aufgezeigt werden, die die Forschung in vielen Disziplinen anregen können. TP 15 war auch an der ITW zur Legitimation beteiligt. Aus der Arbeit dieser ITW ist ein von TP 06 Conermann herausgegebener Sammelband hervorgegangen, in dem die Legitimation des Herrschaftsübergangs im Mittelpunkt stand (Trausch [ed.] [2019], </span><span style="line-height:150%">Norm, Normabweichung und Praxis des Herrschaftsübergangs in transkultureller Perspektive [Macht und Herrschaft 3], Göttingen)</span><span style="line-height:150%">. Die Betrachtung außergewöhnlicher Herrschaftsübergänge macht deutlich, dass eine Prävalenz der dynastischen Folge nicht eindeutig gegeben ist. Der TP 15 Mitarbeiter, Dominik Büschken hat im Rahmen dieser Zusammenarbeit einen Beitrag zu einem didaktischen Readerprojekt (TP 01 Albert, TP 06 Conermann, TP 14 Ortmann, TP 20 Vössing, TP 21 Wolter-von dem Knesebeck) zur Vermittlung transkultureller Forschungsarbeit an Studierende beigesteuert. Mit TP 02 Becher/Dohmen wurde beim International Medieval Congress in Leeds 2017 eine Sektion zum Thema ‚How to criticise a king?‘ angeboten, bei der der Vergleich innerhalb der Geschichtswissenschaft im Vordergrund stand.</span></span></p> <p style="border:none; border-bottom:0cm none black; margin-bottom:3.0pt; text-align:justify; padding:0cm; padding-top:0cm; padding-bottom:0cm"><span style="text-autospace:none">'''<span style="line-height:150%">Vergleich mit Arbeiten außerhalb des SFB</span>'''</span></p> <p style="border:none; margin-bottom:3.0pt; text-align:justify; padding:0cm; padding-top:0cm"><span style="text-autospace:none"><span style="line-height:150%">Die Verortung der Teilprojektleiterin in Bonn und der Schwerpunkt des Teilprojektes auf die englische Geschichte macht eine enge Verzahnung mit englischen Experten rund um die Fragestellungen des TP 15 unerlässlich. Dazu zählen insbesondere die Arbeiten Stephen Churchs, Björn Weilers, Emily A. Winklers und Elisabeth van Houts, die jeweils als Gastvorträger und Partizipierende an TP Workshops in die Arbeit des TP 15 involviert wurden und deren Perspektiven und Beitrage so die Befunde des TP 15 stärkten. Dass die Arbeiten des TP 15 auch international Aufmerksamkeit auf sich ziehen, wird etwa daran deutlich, dass Ryan Kemp, der zur ‚Admonitio‘ (Ermahnung) durch Bischöfe an die Adresse englischer und römisch-deutscher Herrscher arbeitet, sich die Universität Bonn als Gastuniversität für sein Post-Graduate Stipendium des Leverhulme Trusts ausgewählt hat. Er wird von Oktober 2019 an für zwei Jahre in Bonn sein und eng mit Alheydis Plassmann und Dominik Büschken zusammenarbeiten und sich austauschen.</span></span></p> </div> | ||
== Forschungsdaten == | == Forschungsdaten - wo sind sie zu finden? == | ||
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*Internationale Tagung: „Kritik am Herrscher – Möglichkeiten, Chancen, Methoden“ / „Criticizing the Ruler – Possibilities, Chances, Methods“ zu Spannungsfeld D des SFB 1167 (12.04.18–14.04.18) | *Internationale Tagung: „Kritik am Herrscher – Möglichkeiten, Chancen, Methoden“ / „Criticizing the Ruler – Possibilities, Chances, Methods“ zu Spannungsfeld D des SFB 1167 (12.04.18–14.04.18) | ||
== | == Projekt == | ||
=== Projektleitung === | |||
= | ---- | ||
<div class="mitarbeiter"> | |||
'''PD Dr. Alheydis Plassmann''' | |||
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn<br/> Institut für Geschichtswissenschaft<br/> Abteilung für Geschichte der Frühen Neuzeit und Rheinische Landesgeschichte<br/> Am Hofgarten 22<br/> 53113 Bonn | |||
+49-(0)228-737502 | |||
a.plassmann[at]uni-bonn.de | |||
</div> | |||
| | ||
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=== Projektmitarbeit === | |||
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<div class="mitarbeiter"> | |||
'''Dr. Dominik Büschken''' (Wissenschaftlicher Mitarbeiter) | |||
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn<br/> Institut für Geschichtswissenschaft<br/> Abteilung für Geschichte der Frühen Neuzeit und Rheinische Landesgeschichte<br/> Am Hofgarten 22<br/> 53113 Bonn | |||
+49-(0)228-731922 | |||
dominik.bueschken[at]uni-bonn.de | |||
</div> | |||
| |||
<div class="HS-TPs"> | |||
== Spannungsfelder assoziierte TP's == | |||
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Aktuelle Version vom 21. Juni 2021, 17:21 Uhr
15 – TP Plassmann
Die überaus reichhaltige historiographische Überlieferung Englands, in der sich auch Reflexionsprozesse über herrscherliche Maßnahmen fassen lassen, wird in diesem Teilprojekt genutzt, um die Frage nach Methode und Effekt von ‚Tyrannenschelte‘ zu stellen. Dadurch ergeben sich Möglichkeiten, Macht und Herrschaft und vor allem den z.T. kritischen Diskurs über sie genauer zu erfassen und Erkenntnisse zu gewinnen, in welcher Form Herrschaftsausübung in einer vormodernen Gesellschaft überhaupt in Kritik geriet, welche Formen von Machtausübung kritisiert wurden und inwieweit der kritische Diskurs Einfluss auf den Herrscher hatte.
Interdisziplinäre Transkulturalitätswerkstätten
Abstract
Ergebnisse - was wurde erreicht?
Kenntnisstand und Ausgangsfragestellung
Resultierend aus der Bewilligung nur einer Mitarbeiterstelle anstatt der vorgesehenen zwei wurde die Planung des TP 15 entsprechend angepasst und der Fokus auf die Historiographie gelegt, um eine qualitativ erschöpfende Bearbeitung innerhalb des TP 15 sicherzustellen. Dank der umfangreichen Vorarbeiten der Teilprojektleiterin zur Historiographie im 12. Jahrhundert, ihrer Entstehungskontexte und den Einstellungen ihrer Verfasser zu königlicher Herrschaft, konnte das TP 15 von vorn herein auf eine breite und fundierte Thesenbasis gestellt werden, auf die sich die für das TP 15 entwickelten Leitfragen unmittelbar bezogen. Dazu gehörten explizit, welche Legitimationsstrategien englische Könige im Untersuchungszeitraum benutzten, um die Umstrukturierung und den Ausbau ihrer Herrschaft durch verstetigende Maßnahmen zu legitimieren, wie sich diese Strategien in der Geschichtsschreibung widerspiegeln und welche Schlüsse die in der Historiographie häufige Herrscherkritik auf den Erfolg der Kommunikation von Legitimität zulässt.
Ergebnisse und Methoden
Zur Beantwortung dieser Fragen wurden die historiographischen Schriften zunächst systematisiert (Entstehungszeit; Entstehungskontext und Verfasserhintergrund; Sprache). In einem zweiten Schritt wurde anhand verfasser- und werkübergreifender Befunde eine analytische Kategorisierung erstellt, die der Systematisierung der Bearbeitung dienen sollte. Dazu gehörte zunächst die Unterscheidung textinterner und textexterner Kritikparameter, zu deren Bearbeitung Erkenntnisse der (germanistischen) Narratologie-Theorie zugezogen wurden. Wichtige Paramater waren so die Adressaten der Kritik, wer diese Kritik im Narrativ aussprach, welche sozialen Gruppen zu Kritik berechtigt waren, welche Gegenstände diese Kritik hatte. Darüber hinaus galt für externe wie interne Kritik die Frage nach den Kontexten der Kritik, den Foren, also an welchen Orten und in welchen Personenkonstellationen wurde Kritik geäußert, und welches Ziel verfolgte die Formulierung von Kritik. Stand dahinter eine reine Benennung von Missständen, die Erwartung der Änderung der benannten Kritikpunkte oder gar eine Ablehnung von Herrschaftsverhältnissen und Herrschaftssystemen?
Daran anschließend konnte überprüft werden, inwieweit es eine zeitgenössische Theorie und eine Strategie der Kritik gab, in etwa wie Kritik zu äußern war und welchen Amtsträgern explizit ein Recht auf Kritik und die Erwartung der Formulierung von Kritik angetragen wurde. An diese Befunde anschließend stand sodann die Frage nach der Rezeption von Kritik. Kritik von Zeitgenossen wurde durch Zeitgenossen nicht immer als Kritik perzipiert und reflektiert. Die sich stetig wiederholenden Kritikmuster sprechen dafür, dass die Herrscherkritik oftmals ungehört verhallte, wenn es nicht gelang, grundsätzliche Probleme in politische Forderungen zu gießen, wie es etwa bei den Forderungen der Barone gegen Johann Ohneland geschah, bei denen gängige Muster der Kritik konkrete Anwendung fanden.
Zu den zentralen Ergebnissen des TP 15 zählen, dass Kritik auch zu Lebzeiten des Herrschers am Ideal der gerechten Herrschaft stets auch explizit ausformuliert werden konnte. Die Orientierung der Verfasser an akzeptierten Normen und Idealen diente ihnen gleichwohl als Gradmesser angemessenen Verhaltens, limitierte die Kritik aber auch auf systemimmanente Zielsetzungen, die niemals auf die Infragestellung eines Herrschaftssystems (Königtum) hinausliefen. Die Kritisierten hingegen nutzten die beanstandeten Maßnahmen, z. B. die Förderung inkompetenter und ungeeigneter Höflinge oder massive Steuerlast, als herrschaftssichernde Instrumente und änderten den Gebrauch entweder unbeeindruckt der Kritik oder in schlichter Unkenntnis von ihr nicht. So ist zu beobachten, dass diejenigen Herrschaftsmaßnahmen, denen durch die Kommentatoren Legitimität abgesprochen wurde, ganz erheblich zur Stabilisierung königlicher Herrschaft beitrugen und wesentliche Grundpfeiler einer starken Königsherrschaft im Untersuchungszeitraum waren. Gleichzeitig lässt sich indes feststellen, dass die geäußerte Kritik keinesfalls nur Meinung eines kleinen Zirkels von klerikalen Schreibern, sondern gerade was die mangelnde Beratungswilligkeit des Königs angeht, ein offenbar vielfältig erlebtes Defizit war, das dann auch in politische Forderung eingebracht wurde. Gleichzeitig konnte ausgearbeitet werden, dass die Historiographie in England im 12. Jahrhundert Kritikmuster entwickelte, die über die bloße Deutung von Ereignissen im Sinne der jeweiligen Autoren durchaus hinausgehen. Der plötzliche Tod von Wilhelm II. Rufus auf der Jagd kann als ein Auslöser für die Verwendung des Motives vom ‚Straftod‘ gelten, das in England insbesondere deshalb an Brisanz gewann, weil plötzliche Todesfälle deutlich häufiger vorkamen als andernorts. Als Eingreifen Gottes in die Geschichte verstanden, wurde dies zum willkommenen Deutungsmuster, an dem schlechte Herrschaft geradezu bewiesen werden konnte. Das Kritikmuster wurde erweitert, indem bei natürlichen Todesfällen unehrenhafte Begräbnisse herangezogen wurden, um wiederum den Beweis dafür zu erbringen, dass ein König schlecht geherrscht hatte. Auch wenn mit Hilfe dieses Musters Kritik immer nur im Nachhinein formuliert wurde, ist die Stoßrichtung auf den lebenden Herrscher hin, kaum zu übersehen. Das Versprechen neuer Könige ‚besser‘ zu herrschen als die Vorgänger konnte sich so zu einer Kritik verdichten, die den König schon zu Lebzeiten eine Selbstverpflichtung auf Änderung der Herrschaftsstrategien abverlangte.
Gewissermaßen als Nebenprodukt der Beschäftigung mit englischer Königsherrschaft entstand ein Sammelband, in dem verschiedene Aspekte von Herrschaft bei den Staufern und den Plantagenets im Mittelpunkt standen, wodurch der Blick der am TP 15 Beteiligten auf die englische Herrschaft und ihre Sonderstellung geschärft werden konnte.
Die Ergebnisse des Teilprojektes sollen in einem sogenannten ‚short monograph‘ von etwa 120 Seiten von der TP-Leiterin vorgestellt werden.
Die Dissertation vom TP-Mitarbeiter Dominik Büschken wurde fertiggestellt und eingereicht.
Probleme und Schwierigkeiten
Schwierigkeiten bei der Bearbeitung ergaben sich zum einen aus dem uneinheitlichen Gebrauch der lateinischen Terminologie bei den einzelnen Verfassern, weshalb eine Semantik der Kritik nur sehr vage an den Gebrauch spezifischer Termini gebunden werden konnte. Außerdem muss die Frage nach den Adressaten und den tatsächlichen Rezipienten, insbesondere bei monastischer Kritik im Kontext der Historiographie, aufgrund fehlender Forschungsdaten ein Stück weit unbeantwortet bleiben und kann nur über die Annäherung beantwortbar sein. Daran schließt sich an, dass die Zielsetzung der Kritik nicht abschließend einwandfrei offengelegt werden kann, auch wenn die Auswirkungen der Kritikbereitschaft in den politischen Oppositionen des 12. Jahrhunderts deutlich zu fassen sind.
Bezüge mit anderen TPs
Bezüge ergaben sich vor allem zu den TPs, die wie TP 15 ebenfalls mit erzählenden Texten arbeiteten. Zu nennen sind hier insbesondere TP 02 Becher/Dohmen, TP 05 Brüggen, TP 06 Conermann, TP 08 Dumitrescu und TP 11 Klaus. In der ITW zur ‚Historischen Semantik‘ (mit Beteiligung des TP 01 Albert, TP 02 Becher/Dohmen, TP 05 Brüggen, TP 06 Conermann, TP 10 Kellermann, TP 11 Klaus, TP 13 Morenz, TP 14 Orthmann, TP 16 Schwermann und TP 19 Taranczewski/Schley) stand die Methode im Umgang mit narrativen Quellen im Vordergrund. Da die Geschichtswissenschaft im Grunde genommen schon vor der Prägung des Begriffs mit dieser Methode gearbeitet hat, konnte das TP 15 sich hier in die Diskussion besonders gut einbringen. Die TP-Leiterin selbst hat eine ITW zu ‚Herrscherkritik‘ angestoßen, an dem die TP 01 Albert, TP 05 Brüggen, TP 06 Conermann, TP 10 Kellermann, TP 11 Klaus, TP 16 Schwermann, TP 20 Vössing und TP 22 Stieldorf beteiligt waren. Dort konnte ein Raster für Kritik am Herrscher erarbeitet werden, dass sich zum einen bei der Arbeit in den Einzelprojekten bewährt hat, aber auch Möglichkeiten des Vergleichs eröffnet hat, die bei der Diskussion der Texte der TPs in die Analyse fruchtbar eingeflossen sind. Unter Federführung der Teilprojektleitenden wurde in der ITW ‚Herrscherkritik‘ mit der Figur des Ratgebers ein transkulturelles Phänomen als Beispiel für die Anwendung des Kategorienschemas untersucht. Es ergibt sich, dass bei aller Unterschiedlichkeit gerade in der Frage nach einem offiziellen Ratgeber doch zu beobachten ist, dass Bedingungen des Ratgebens (wie etwa die Vermeidung der Wiederholung von Rat oder die Aufbereitung des Ratschlages, die eine Annahme wahrscheinlicher macht, sei es durch Inszenierung der Situation, sei es durch das universell anwendbare historische Beispiel) vergleichbar sind. Die Ergebnisse werden in einem Sammelband zugänglich gemacht (Plassmann [ed.] [2020], Die Figur des Ratgebers (Studien zu Macht und Herrschaft 6), Göttingen). Die Arbeit in der ITW ist auch in die Vorbereitung der Tagung ‚Kritik am Herrscher. Möglichkeiten, Chancen und Methoden‘ eingeflossen, die von TP 15 zusammen mit TP 10 Kellermann und TP 16 Schwermann vorbereitet wurde. Bei der von den TP-Leitenden gemeinsam verfassten Einleitung zu dem Sammelband konnten vielfältig transkulturelle Aspekte der Herrscherkritik aufgezeigt werden, die die Forschung in vielen Disziplinen anregen können. TP 15 war auch an der ITW zur Legitimation beteiligt. Aus der Arbeit dieser ITW ist ein von TP 06 Conermann herausgegebener Sammelband hervorgegangen, in dem die Legitimation des Herrschaftsübergangs im Mittelpunkt stand (Trausch [ed.] [2019], Norm, Normabweichung und Praxis des Herrschaftsübergangs in transkultureller Perspektive [Macht und Herrschaft 3], Göttingen). Die Betrachtung außergewöhnlicher Herrschaftsübergänge macht deutlich, dass eine Prävalenz der dynastischen Folge nicht eindeutig gegeben ist. Der TP 15 Mitarbeiter, Dominik Büschken hat im Rahmen dieser Zusammenarbeit einen Beitrag zu einem didaktischen Readerprojekt (TP 01 Albert, TP 06 Conermann, TP 14 Ortmann, TP 20 Vössing, TP 21 Wolter-von dem Knesebeck) zur Vermittlung transkultureller Forschungsarbeit an Studierende beigesteuert. Mit TP 02 Becher/Dohmen wurde beim International Medieval Congress in Leeds 2017 eine Sektion zum Thema ‚How to criticise a king?‘ angeboten, bei der der Vergleich innerhalb der Geschichtswissenschaft im Vordergrund stand.
Vergleich mit Arbeiten außerhalb des SFB
Die Verortung der Teilprojektleiterin in Bonn und der Schwerpunkt des Teilprojektes auf die englische Geschichte macht eine enge Verzahnung mit englischen Experten rund um die Fragestellungen des TP 15 unerlässlich. Dazu zählen insbesondere die Arbeiten Stephen Churchs, Björn Weilers, Emily A. Winklers und Elisabeth van Houts, die jeweils als Gastvorträger und Partizipierende an TP Workshops in die Arbeit des TP 15 involviert wurden und deren Perspektiven und Beitrage so die Befunde des TP 15 stärkten. Dass die Arbeiten des TP 15 auch international Aufmerksamkeit auf sich ziehen, wird etwa daran deutlich, dass Ryan Kemp, der zur ‚Admonitio‘ (Ermahnung) durch Bischöfe an die Adresse englischer und römisch-deutscher Herrscher arbeitet, sich die Universität Bonn als Gastuniversität für sein Post-Graduate Stipendium des Leverhulme Trusts ausgewählt hat. Er wird von Oktober 2019 an für zwei Jahre in Bonn sein und eng mit Alheydis Plassmann und Dominik Büschken zusammenarbeiten und sich austauschen.
Forschungsdaten - wo sind sie zu finden?
Primärquellen
Sekundärquellen - Bibliografie
Publikationslisten
Veröffentlichungen
- Dominik Büschken/Alheydis Plassmann (2019), Stephen of Blois. Legitimizing Succession, Idoneity and Inheritance, in: Tilmann Trausch (ed.), Norm, Normabweichung und Praxis des Herrschaftsübergangs in transkultureller Perspektive (Macht und Herrschaft 3), Göttingen, 401–430.
- Alheydis Plassmann (2019), Römisch-deutsche Kaiser als vorbildliche Herrscher bei Wilhelm von Malmesbury und Otto von Freising, in: Elke Brüggen (ed.), Erzählen von Macht und Herrschaft. Die ‚Kaiserchronik‘ im Kontext zeitgenössischer Geschichtsschreibung und Geschichtsdichtung (Macht und Herrschaft 5), Göttingen, 109–131.
- Dies. (2019), Sudden death. Kontingenzdes Todesund Legitimationvon Herrschaft, in: Matthias Becher (ed.), Transkulturelle Annäherungen an Phänomene von Macht und Herrschaft. Spannungsfelder und Geschlechterdimensionen (Macht und Herrschaft 11), Göttingen, 95–122.
- Dies. (2018), Bede’s legacy in William of Malmesbury and Henry of Huntingdon, in: David Bates et al.(edd.), People, Texts, and Artefacts: Cultural Transmission in the medieval Norman Worlds, London, 171–192.
- Dies. (2017a), … et claues thesaurorum nactus est, quibus fretus totam Angliam animo subiecit suo…Herrschaftsnachfolge in England zwischen Erbschaft, Wahl und Aneignung (1066–1216), in: Matthias Becher (ed.), Die Thronfolge im europäischen Vergleich (Vorträge und Forschungen 84), Ostfildern 2017, 193–229.
- Dies. (2017b), German emperors as exemplary rulers in William of Malmesbury and Otto of Freising, in: Rodney Thomson et al. (edd.), Discovering William of Malmesbury, Woodbridge, 139–152.
- Dies. (2017c), England and Germany: Two Perspectives, in: Anglo-Norman Studies 39, 167–181.
- Dies. (2017d), Der König und seine Söhne – Strategien für Sukzession und Besitzverteilung bei Heinrich II. von England und Friedrich I. Barbarossa im Vergleich, in: Friedrich Barbarossa (Schriften zur staufischen Geschichte und Kunst 36), Göppingen 2017, 77–99.
- Dies./Dominik Büschken (edd.) (2018), Staufen and Plantagenets. Two Empires in Comparison (Studien zu Macht und Herrschaft 1), Göttingen; darin: Dominik Büschken, Rainald of Dassel and Thomas Becket. Two Upstarts in Comparison, 183–196.
- Dies./Karina Kellermann/Christian Schwermann (edd.) (2019), Criticising the Ruler in Pre-Modern Societies – Possibilities, Chances, and Methods. Kritik am Herrscher in vormodernen Gesellschaften – Möglichkeiten, Chancen, Methoden (Macht und Herrschaft 6), Göttingen.
Tagungsteilnahmen
Veranstaltungen (Kolloquien, ...)
- Treffen des Arbeitskreises Mediävistik in Nordrhein-Westfalen mit Prof. Dr. Andrea Stieldorf (Begrüßung), Prof. Dr. Matthias Becher (Vorstellung des SFB 1167), Teresa Raffelsberger, M.A. (TP Schwieger; Vortrag: „Zentrum oder Peripherie – Herrschaft zwischen gedachter und realer Ordnung im Königreich von Ladakh, 16.–19. Jh.“) und PD Dr. Alheydis Plassmann (Vortrag: „Ererbte, erheiratete und eroberte Herrschaft – Heinrich II. von England und die Beteiligung regionaler Herrschaftsträger“) (18.11.16)
- Workshop: „Englische Königsherrschaft im Spiegel der Tyrannenschelte“ (19.12.16/20.12.16)
- Workshop: „Strategien und Erscheinungsformen von Kritik an Herrschern und Herrschaft“ (11./12.10.17)
- Vortrag im Rahmen der Ringvorlesung des SFB 1167: PD Dr. Alheydis Plassmann zum Thema „Sudden death. Kontingenz des Todes und Legitimation von Herrschaft“ (23.01.18)
- Internationale Tagung: „Kritik am Herrscher – Möglichkeiten, Chancen, Methoden“ / „Criticizing the Ruler – Possibilities, Chances, Methods“ zu Spannungsfeld D des SFB 1167 (12.04.18–14.04.18)
Projekt
Projektleitung
PD Dr. Alheydis Plassmann
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Institut für Geschichtswissenschaft
Abteilung für Geschichte der Frühen Neuzeit und Rheinische Landesgeschichte
Am Hofgarten 22
53113 Bonn
+49-(0)228-737502
a.plassmann[at]uni-bonn.de
Projektmitarbeit
Dr. Dominik Büschken (Wissenschaftlicher Mitarbeiter)
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Institut für Geschichtswissenschaft
Abteilung für Geschichte der Frühen Neuzeit und Rheinische Landesgeschichte
Am Hofgarten 22
53113 Bonn
+49-(0)228-731922
dominik.bueschken[at]uni-bonn.de
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