Spannungsfeld C: Unterschied zwischen den Versionen
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Schley</div> </div> <div class="item-wrapper"><div class="item-header">[[Samoderžcy_i_edinoderžavie_–_Die_Begründung_des_zentralistischen_Alleinherrschaftsanspruches_der_russischen_Zaren_in_der_'Zeit_der_Wirren'_unter_besonderer_Berücksichtigung_der_Auswahl-_und_Berufungsverfahren_von_Boris_Godunov_und_Michail_Romanov|Samoderžcy i edinoderžavie<br/> – Die Begründung des zentralistischen Alleinherrschaftsanspruches der russischen Zaren in der 'Zeit der Wirren' unter besonderer Berücksichtigung der Auswahl- und Berufungsverfahren von Boris Godunov und Michail Romanov]]</div> <div class="item-body">Prof. Dr. Dittmar Dahlmann</div> </div> <div class="item-wrapper"><div class="item-header">[[Zentrum_oder_Peripherie:_Herrschaft_zwischen_gedachter_und_realer_Ordnung_in_tibetischen_Gesellschaften_am_Beispiel_der_Namgyal-Dynastie_Ladakhs_(16.–19._Jh.)|Zentrum oder Peripherie:<br/> Herrschaft zwischen gedachter und realer Ordnung in tibetischen Gesellschaften am Beispiel der Namgyal-Dynastie Ladakhs (16.–19. Jh.)]]</div> <div class="item-body">Prof. Dr. Peter Schwieger</div> </div> </div> </div> | <div class="grid"><div class="item-wrapper"><div class="item-header">[[Vom_doppelten_Horus._Königsideologische_Arbeit_in_der_formativen_Phase_des_ägyptischen_Königtums_und_ihre_Inszenierung|Vom doppelten Horus.<br/> Königsideologische Arbeit in der formativen Phase des ägyptischen Königtums und ihre Inszenierung]]</div> <div class="item-body">Prof. Dr. Ludwig D. 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Jh.)]]</div> <div class="item-body">Prof. Dr. Peter Schwieger</div> </div> </div> </div> [[Category:Spannungsfelder]] |
Version vom 23. Juni 2021, 10:43 Uhr
Zentrum und Peripherie
Ausgangspunkt der gemeinsamen Arbeit im Arbeitsbereich war die allgemeine Beobachtung in den Kulturwissenschaften, dass Herrschaftssysteme Zentren und Peripherien ausbilden.[1] Im Zentrum sind dabei zwar die Autorität und die Aufseher über die sozialen und normativen Werte einer Gesellschaft lokalisiert,[2] aber gerade für vormoderne Gesellschaften ist zu fragen, bis zu welchem Grad es dem Zentrum gelingt, die Peripherie ihrem Wertsystem zu unterwerfen. In diesem Sinne billigt auch Niklas Luhmann dem Zentrum die rationale und religiöse Deutungsmacht über die Unterschiede zwischen Zentrum und Peripherie zu.[3] Da die Kommunikation mit der Peripherie und auch mit äußeren Gemeinschaften im Zentrum zusammenlaufe, bestehe dort eine hierarchisch geordnete „Informationsverarbeitungskapazität“[4], die im Zentrum zu einer komplexeren Stratifikation als in der Peripherie führe. In dieser kommunikativen und diskursiven Vorrangstellung des Zentrums manifestieren sich demnach Macht und Herrschaft in verdichteter Form. Daher halte das Zentrum aus eigenem Interesse an der Differenzierung in Zentrum und Peripherie fest.[5] Die Beziehungen peripherer Räume zum Zentrum können dabei von unterschiedlicher Intensität sein. Diese nehmen Impulse aus dem Zentrum auf, wirken aber auch auf das Zentrum zurück. Als Transferräume können Peripherien Kontakte und Innovationen von außen an das Zentrum vermitteln.[6]
Ziel der dem Spannungsfeld C zugeordneten Projekte war es, in transkultureller Perspektive das Verhältnis zwischen Zentrum und Peripherie in den Blick zu nehmen und dabei zu analysieren, inwieweit dieses konstitutiv für die Organisation, Realisation und Perzeption von Macht und Herrschaft ist. Die Teilprojekte gingen konkret der Frage nach, auf welche Weise die langen Kommunikationswege in vormodernen Ordnungen überbrückt wurden, und thematisierten Aspekte wie Reisekönigtum bzw. Residenzbildung (TP 13 Morenz, TP 21 Wolter-von dem Knesebeck), Delegation von Herrschaftsbefugnissen in der Peripherie bzw. den Empfang peripherer Eliten im Zentrum (TP 03 Bemmann, TP 04 Bremer, TP 19 Taranczewski/Schley), die Sicherung der Loyalität peripherer Bevölkerungskreise durch das Einfordern von Treuebekundungen bzw. von Tributen (TP 09 Kauz) und durch (Wahl-)Versammlungen, die aus Repräsentanten des gesamten, auch peripheren Volkes bestanden (TP 07 Dahlmann). Der diplomatische Verkehr zwischen zwei Reichen erlaubte wichtige Einblicke in die Stellung der Grenzregionen, die auf ganz spezifische Weise als Peripherien wahrgenommen wurden, da hier die Ansprüche überregionaler Herrscher auf Über- bzw. Unterordnung aufeinandertrafen (TP 09 Kauz, TP 17 Schwieger). Damit entwickelten die im Spannungsfeld C angesiedelten Teilprojekte aus möglichst vielen Perspektiven einen differenzierten Blick auf das Verhältnis von Zentrum und Peripherie und damit auf eine wesentliche Konfiguration von Macht und Herrschaft.
Die Quellen benennen als Akteure vor allem die obersten Herrschaftsträger und ihre Berater, Amtsträger einerseits und lokale Eliten andererseits. Gegebenenfalls ist auch von Nachbarherrschern die Rede, die unterworfen und beseitigt, bisweilen aber auch in eine mehr oder minder starke Abhängigkeit gezwungen werden. Das Zentrum kommuniziert mit Hilfe mündlicher Kommunikation, schriftlicher Anweisungen oder auch symbolischer Handlungen mit der Peripherie. Akteure der Peripherie suchen nach Repräsentation im Zentrum, zumindest solange sie sich diesem unterordnen. Dies würdigt der oberste Herrschaftsträger in aller Regel mit großartigen Empfängen, Ehrungen und der Übergabe von Geschenken, die wiederum mit Unterordnungsgesten und ebenfalls Geschenken beantwortet werden. Die Relation von Zentrum und Peripherie hängt also von der Konstruktion des physischen sowie des symbolischen Raumes ab und ist demzufolge niemals statisch, sondern ständigen Veränderungen bis hin zum Rollenwechsel von Zentrum und Peripherie unterworfen. Dabei können die Beziehungen zwischen den verschiedenen Peripherien, die bei einem schlichten Zentrum-Peripherie-Modell leicht außer Acht bleiben, ein treibender Faktor bei diesen Veränderungsprozessen sein.
Die internationale Tagung zu Spannungsfeld C ‚Core, Periphery, Frontier – Spatial Patterns of Power‘ fand vom 28. bis 30. März 2019 statt. Sie wurde von den Teilprojekten 03 Bemmann, 07 Dahlmann und 19 Taranczewski/Schley organisiert und zeigte, dass Räume dynamisch zu denken sind, zumal akteursabhängig verschiedene Raumkonzepte neben- und gegeneinander bestehen können. Die verschiedenen Akteure konstituieren mit ihrem Handeln je eigene Räume und können in Konkurrenz zueinander treten. Dann müssen Räume neu verhandelt, revidiert und angepasst werden. Die Dynamik der Veränderung des Raums ergibt sich folglich aus der Vielzahl von Raumkonstruktionen an einem Ort durch die dort handelnden Akteure. Ein Herrschaftsraum kann daher nicht als gegeben vorausgesetzt werden, sondern ist das Ergebnis verschiedener, einander überlagernder Konstruktionsprozesse. Diese waren allerdings nicht unumstritten oder dauerhaft stabil, wie Grenz- und Territorialkonflikte zeigen. Diese Zusammenhänge sind für die räumliche Um- und Durchsetzung von Macht und Herrschaft von entscheidender Bedeutung. Zentrum und Peripherie sind dabei keine strikt voneinander getrennten Größen, sondern vielfältig verflochtene Bereiche, die fundamental voneinander abhängen. So wird das Zentrum nicht nur durch die ständigen Ratgeber des Herrschers oder gegebenenfalls einer Hofaristokratie oder -beamtenschaft repräsentiert, sondern zumindest zeitweise auch von Angehörigen lokaler Eliten, die ihrem Rang gemäß in die Hierarchie des Hofes integriert werden. Da es neben dem Zentrum eines Großreiches in der Regel auch lokale Zentren von Macht und Herrschaft in der Peripherie gibt,[7] entsteht ein kompliziertes Kommunikationsnetz mit einem großen und vielen (abgestuften) kleineren Knoten.[8] Dieses Bild macht deutlich, dass die Zentrale zwar danach streben muss, möglichst viele Verbindungslinien zu kontrollieren, dieses Ziel aber nicht vollständig erreichen kann. Zudem konnte auf der Spannungsfeldtagung des SFB 1167, deren Beiträge sich derzeit in Druckvorbereitung befinden, herausgearbeitet werden, dass es auf die Perspektive ankommt, da es in vielen Fällen nicht von vornherein klar ist, was als Zentrum und was als Peripherie anzusehen ist, weil sich dieses Verhältnis oft dynamisch gestaltet und sich überdies politische und wirtschaftliche Strukturen nicht zwangsläufig entsprechen. Zudem können sogenannte Peripherien wiederum eigene Zentrenausbilden.
[1]Luhmann 1984; Ders. 1997; Stichweh 1994; Tyrell 2001.
[2]Vgl. Shils 1961.
[3]Vgl. Luhmann 1984; Ders. 1997.
[4]Luhmann 1997, S. 664.
[5]Vgl. Luhmann 1997.
[6]Vgl. etwa Schwieger 1997; Ders. 1999.
[7] Vgl. etwa zum transkulturellen Analysepotential der Phänomene ‚Hof‘ und ‚Stadt‘ zuletzt Winterling 2013.
[8]Zu den lokalen Zentren und Subsystemen vgl. Stichweh 1994; Tyrell 2001.
Koordination: Prof. Dr. Jan Bemmann